Gendermedizin: Brauchen Frauen eine andere Medizin als Männer?

Dies war unser Clubabend im April 2024 mit

Dr. med. Christine Hidas

„Frauen sind anders, Männer auch" - mit diesem Statement eröffnete die Fachärztin für Innere Medizin und Nephrologie sowie Leitende Oberärztin in der Zentralen Notaufnahme des Klinikums Darmstadt ihren Vortrag über Gendermedizin, einem Fachgebiet, das ihrer Ansicht nach unbedingt in den verpflichtenden Kanon des Medizinstudiums gehöre.

Zunächst informierte sie uns über die Zusammensetzung der Ärzteschaft in Deutschland. Zwei Drittel der Studierenden und knapp 50 % der Praktizierenden sind Frauen. Dennoch öffnet sich bereits kurz nach dem Studium die Schere. Frauen promovieren seltener und verzichten öfter auf eine Facharztausbildung. Nur 10 % der Chefarztpositionen und nur 3 % der C4-Professuren sind in den Händen von Ärztinnen. Auch in den Spitzenpositionen der kassenärztlichen Vereinigungen und der Ärztekammern sind Frauen unterrepräsentiert, schilderte Frau Dr.Hidas, die selbst Mitglied im Präsidium der Hessischen Landesärztekammer und 1. Vorsitzende der Gruppe Frankfurt im Deutschen Ärztinnenbund ist.

Die Gendermedizin ist ihr ein besonderes Anliegen, denn immer noch werden die Geschlechterunterschiede bei Diagnostik und Behandlung nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei geht es nicht nur um die biologischen Unterschiede zwischen Frau und Mann, sondern auch um psychosoziale Aspekte wie Rollenzuschreibungen sowie Lebens- und Arbeitsbedingungen.

So treten Depressionen bei Frauen häufiger auf, was am biologischen Geschlecht liegen kann, aber auch daran, dass seelische Erkrankungen als „weiblich" empfunden werden und Männer deswegen seltener psychologische Hilfe suchen.

Bekannt ist inzwischen, dass ein Herzinfarkt bei Frauen andere Symptome auslöst als bei Männern und sie auch in der Herzchirurgie anders behandelt werden müssen. Aber immer noch kommen sie aufgrund ihrer Lebensumstände (Alleinleben, Pflege des Partners) später in die Klinik als Männer.

Signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei Symptomen, Krankheitsverläufen sowie Häufigkeit von Erkrankungen bestehen auch in der Nierenheilkunde, der Rheumatologie und der Schmerzmedizin. Sie müssen sowohl bei Diagnostik, Behandlung und Medikation berücksichtigt werden.

Bis in die 1980er Jahre wurden Medikamente nur an jungen Männern getestet und so war die Dosierung für Frauen oft zu hoch bzw. unerwartete Nebenwirkungen traten auf.

Auch während der Corona-Pandemie gab es deutliche Unterschiede. Aufgrund von Vorerkrankungen und des Lebensstils erkrankten Männer schwerer, Frauen dagegen häufiger. Aufgrund ihres Geschlechts waren sie vor Viren besser geschützt, hatten jedoch aufgrund ihrer typischen weiblichen Berufe z.B. in der Pflege und im Lebensmitteleinzelhandel mehr Kontakte.

In jedem Fall sei sowohl den Ärztinnen als auch den Patientinnen in der Medizin mehr Beachtung zu widmen, denn „wir sind immerhin die Hälfte der Weltbevölkerung."